Myosotis
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Herders Bibliotheksverzeichnis von 1776
Johann Gottfried Herder (1744–1803) siedelte am 1. Oktober 1776 nach Weimar über. Am Ende seiner Tätigkeit am Hof des Grafen Friedrich Ernst Wilhelm zu Schaumburg-Lippe in Bückeburg stellte er ein detailliertes, rund 1000 Nummern umfassendes und auf den 21. Juni 1776 datiertes Verzeichnis seiner Bibliothek zusammen. Bis zu seinem Tod wuchs Herders Bestand um ein Vielfaches und zählte zu den bedeutendsten privaten Büchersammlungen der Zeit.
Herders Verzeichnis von 1776 stellt ein einzigartiges Werkzeug zum Verständnis seines Werks und seiner Epoche dar. In der Weite seines Ideenhaushalts öffnet es den Blick des heutigen Forschers auf die europäische Gelehrtenrepublik der Frühen Neuzeit. Spezifika des Herderschen Denkens werden in ihrer Motivationslage leichter verständlich, wenn man die Gegenwart dieser Tradition in Rechnung stellt. Herders Studierzimmer gleicht einer Denkfabrik, in der er unterschiedlichste Horizonte des Wissens zu einem produktiven Amalgam verschmolzen hat.
Mit der Edition von Herders frühem Bibliotheksverzeichnis wird ein wesentlicher Aspekt in der Gelehrtenkultur des 18. Jahrhunderts erschlossen werden. Geplant sind neben Einzelnachweisen des Bestandes, die den Kern der Edition bilden werden, der Nachweis der Werke im Versteigerungskatalog von 1804 (Bibliotheca Herderiana, Weimar 1804) sowie entsprechender Hinweise in Herders Korrespondenz (Johann Gottfried Herder, Briefe. Gesamtausgabe, hg. v. Wilhelm Dobbek und Günter Arnold, Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, bisher 14 Bde., 1977ff.).
Im November 2020 ist die Edition im Universitätsverlag Winter, Heidelberg erschienen und das Projekt wurde somit abgeschlossen.
Projektteam
- Projektleitung: Prof. Dr. Ralph Häfner
- Wissenschaftliche Hilfskraft: Christian Zimmermann
- Ehemalige wiss. Hilfskraft: Martin Danneck
Heine und die literarischen Gesellschaften im europäischen Kontext (ca. 1650–1850)
Heinrich Heine (1797–1856) hat in den an Anekdoten reichen Geständnissen die ›Petits Soupers‹ zum Ausgangspunkt von Überlegungen über dialektische Prozesse der Gesellschaft gemacht. In der vorrevolutionären Sozialisationsform der intimen Soupers der Libertins erkannte er Möglichkeiten der Entfaltung subversiver wie produktiver Ideen einer zukünftigen Gesellschaft. Heine, der die Intellektuellenzirkel der Juli-Monarchie in Paris frequentierte, denkt an prominente ›Salons‹ im Ancien Régime – die Société d’Auteuil von Madame Helvétius, den Kreis um den Baron d’Holbach oder auch Voltaires ›Gesellschaft‹ in Ferney.
Im Ausgang von Werkkontexten der Heine-Zeitgenossen Balzac, Nerval und Gautier geht das Projekt den traditionsgeschichtlichen Modellen derartiger Sozialisationsformen vom 16. bis zum 18. Jahrhundert nach. Die literarischen Salons der Zeit sind Orte der Muße par excellence. Diese Modelle haben in der Literatur und den Künsten Räume imaginärer Kommunikation gestiftet, die das ›Gespräch‹ mit Intellektuellen bis in die Antike zurück – bis hin zu Petronius, Horaz und Platon – ermöglicht und stimuliert hat. In einer an intertextuellen Bezügen reichen Textur schreibt sich Heine in einen der Zeitenfolge enthobenen Denkraum ein, der selbst wieder – gesellschaftlich mitunter subversiver – Ermöglichungsgrund von Muße ist.
Das Projekt präsentiert zugleich Ergebnisse des Teilprojekts B5 im Sonderforschungsbereich 1015 »Muße. Konzepte, Räume, Figuren«.
- Band 1: Die Weisheit des Silen. Heinrich Heine und die Kritik des Lebens, (Reihe »spectrum Literaturwissenschaft«, Bd. 7), Berlin, New York: Walter de Gruyter, 2006.
- Band 2: Masken in Gesellschaft. Bacchanale, Bankette, Petits Soupers von Heine bis Rabelais, (Myosotis. Forschungen zur europäischen Traditionsgeschichte, Bd. 1), Heidelberg: Winter, 2014.
- Band 3: In Arbeit
Editionsprojekt Albrecht von Haller
Albrecht von Haller (1708–1777) hat als Naturwissenschaftler die Diskussionen im Zeitalter der Aufklärung in vielfältiger Weise befruchtet. Sein Beitrag zur Erforschung der Alpenflora und die umfangreichen Studien zur Physiologie des menschlichen Körpers sind das Ergebnis eines auf Empirie und Experiment beruhenden Zugangs zur belebten Natur, der ihm während seines Studiums in Leiden durch seinen Lehrer Herman Boerhaave eröffnet wurde. Auf ganz anderem Gebiet entfaltete Haller eine vergleichbare Wirkmächtigkeit durch die zuerst unter dem Titel Versuch Schweizerischer Gedichten Bern: Niclaus Emanuel Haller, (1732) publizierte Lyriksammlung, die bis zu seinem Tode 1777 in zahlreichen Neuauflagen erschien. Die immer wieder überarbeitete, erweiterte und durch Vorreden und Anmerkungen ergänzte Sammlung stimulierte insbesondere im mittleren Drittel des 18. Jahrhunderts Konzept und Form der philosophischen Lyrik weit über die deutschsprachige Literatur hinaus. Gepriesen als kontinentales Pendant zu Alexander Pope, schuf Haller mit seinem lyrischen Werk Möglichkeiten der Vermittlung naturkundlichen und moralphilosophischen Wissens, die die Tradition der wissenschaftlichen Poesie seit der Antike produktiv überformte. Die Tatsache, dass Hallers Dichtung seit den frühen 1750er Jahren auch in Frankreich durch Prosaübersetzungen präsent ist, dokumentiert sehr gut den europäischen Rang, den die Zeitgenossen seinem Werk zugesprochen haben. Dabei scheint die Vermittlung von Wissen in unterschiedlichen medialen Formen (Lyrik und Prosa) sekundär. Die Sammlung kleiner Hallerischer Schriften ist daher integraler Bestandteil der auf gesellschaftliche Breitenwirkung ausgerichteten publizistischen Produktion Hallers.
Das Projekt erarbeitet erstmals eine verlässliche kritische Ausgabe der Lyriksammlung Versuch Schweizerischer Gedichten und der Sammlung Kleiner Hallerischer Schriften. Im Falle der Gedichte werden sämtliche Varianten der zu Hallers Lebenszeit erschienenen Auflagen berücksichtigt. Da Haller in späteren Auflagen selbst schon Varianten in einem kritischen Apparat verzeichnete, wird es Ziel der Edition sein, die verschiedenen Überarbeitungsstufen sichtbar zu machen. Inhaltliche Aspekte des Werks werden durch einen Sachkommentar erschlossen werden.
Projektteam
- Projektleitung: Prof. Dr. Ralph Häfner
- Wissenschaftliche Hilfskraft: Maximilian Bach
- Ehemalige wiss. Mitarbeiterin: Sarah Ruppe
- Ehemalige wiss. Hilfskraft: Clara Innocenti, M.A.
Quellen der Portraits:
Johann Gottfried Herder (Gemälde von Anton Graff, 1785) – Public Domain (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/5f/Johann_Gottfried_Herder_2.jpg [23.11.2018]).
Heinrich Heine (Gemälde von Moritz Daniel Oppenheim, 1831) – Public Domain (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/5e/Heinrich_Heine-Oppenheim.jpg [23.11.2018]).
Albrecht von Haller (Gemälde von Johann Rudolf Huber, 1736) – Public Domain (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f8/Albrecht_von_Haller_1736.jpg [23.11.2018]).