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Jinsook Kim

Akademischer Werdegang:

1997 bis 2002 B.A.-Studium der Germanistik (HF) an der Sungshin Women’s University Seoul, 2005 M.A. der Germanistik (HF) an der Sungshin Women’s University Seoul, SS 2008 bis SS 2012 Promotion an der Universität Freiburg

Dissertation:

Intermediales Zusammenspiel des Erzählens:
Drei Lesarten des Romans Buddenbrooks von Thomas Mann

Thomas Mann gilt zu Recht als ein Erzähler mit ausgeprägtem Formbewusstsein. Daher kommt es bei ihm nicht einfach darauf an, was er erzählt, sondern vielmehr darauf, wie er etwas erzählt. So steht denn auch der Inhalt seiner Werke stets in einer engen Wechselbeziehung zur Erzählform, und das Problembewusstsein seiner Figuren drückt sich eben auch in ihren Zuwendungsmedien zur Welt aus. Bereits Manns Erstlingsroman Buddenbrooks (1901) entsteht unter jenem starken Form- bzw. Medienbewusstsein. Die Fachdiskussion hat bislang ausschließlich das ästhetisch-literarische Moment dieser Pro-blemkonstellation fokussiert; indes lässt sich Erzählen – und das ist entscheidend – vor allem als eine Frage des Mediums, das heißt als Aktivität in einer medial organisierten Welt auffassen. Die Literatur ist ein ästhetisches Wahrnehmungs- und Vermittlungsmedium, wobei der Roman einen spezifisch modernen Modus der Zuwendung zur Welt darstellt. So verbindet sich das literarische Erzählen als selbst- und weltkonstituierende Darstellung mit historisch veränderlichen Medien, sodass die Medialität darin immer als eine Intermedialität realisiert wird. Diese Medienbezogenheit von Buddenbrooks ist bisher weitgehend unbeachtet geblieben: Weder in der traditionellen noch in der neueren, interdisziplinär ausgerichteten Literaturforschung hat der Aspekt des medial strukturierten Erzählens hinlänglich Beachtung gefunden.
Hier setzt meine Arbeit an, indem sie der Frage nachgeht, inwiefern sich die Erzähltechnik des Romans aus medialen bzw. intermedialen Komponenten zusammensetzt. Es wird gezeigt, dass die Oralität und Auditivität des frühen Epos und die Literalität des neuzeitlichen und modernen Schriftmediums, aber auch die Visualität des neuen Mediums Film miteinander verbunden und ineinander verflochten sind, wodurch sich die Intermedialität geradezu als Konstruktionsprinzip des Buddenbrooks erweist. Dabei wird ein besonderes Augenmerk darauf gelegt, dass Mann bereits hier das filmisch-visuelle Erzählen vorwegnimmt – so meine These –, das im neuen Medium Film weiterentwickelt werden sollte: Als Mann seinen Erstlingsroman zu schreiben begann, steckte die Filmtechnik ja noch in den Kinderschuhen. Mann selbst sollte erst in seinem späten Essay Film und Roman (1955) „die technische und künstlerische Entwicklung des Films“ ansprechen und konstatieren, dass gerade „das Wesen des Films demjenigen der Erzählung“ sehr „verwandt“ sei: Der Film sei „geschaute Erzählung“. Was Mann hier unterstreicht, ist letztlich die medial konstituierte Erzähltechnik seines eigenen Romans. Mit einer vergleichbaren Technik könne sich auch der Film als kunstfähig ausweisen, so Mann weiter.
Um das intermediale Zusammenspiel des Mannschen Erzählens in Buddenbrooks aufzuzeigen, nähert sich meine Arbeit dem Text in drei verschiedenen Lesarten: Gehörte Erzählung, Gelesene Erzählung und Geschaute Erzählung, wobei Oralität, Auditivität, Literalität und nicht zuletzt Visualität jeweils im Mittelpunkt stehen. Die Intermedialität des Romans soll dann aus den drei verschiedenen Lektüren insgesamt hervorgehen.
Bei der Diskussion des Medienbegriffs werden aktuelle mediengeschichtliche und anthropologisch-wahrnehmungstheoretische Mediendiskurse berücksichtigt. Insgesamt werden darunter all jene Leiblichkeiten verstanden, welche die menschlichen Wahrnehmungen phänomenalisieren, ausdrücken und vermitteln. Der menschliche Leib ist als das primäre Medium aufzufassen, mit dem jeder seine innerlichen wie äußerlichen Beschaffenheiten durch Hören, Lesen, Sehen oder sonstige Körperaktivitäten erleben und vermittelbar machen kann: der Körper als Ort der Intermedialität. So sind die Literatur und der Film bzw. die Literaturverfilmung jeweils ein (sekundäres) Medium, ebenso ihre Untergattungen. Es wird gezeigt, dass die Mannsche Erzählweise der Intermedialität des menschlichen Leibs als erzählendem Urmedium entspricht. Meine Arbeit versteht sich insofern als ein Beitrag zur Erzählforschung als Intermedialitätsforschung und damit zur Literaturwissenschaft als Medien- und Kommunikationswissenschaft, als sie aufweist, dass der auf Intermedialität basierende Erzählduktus von Buddenbrooks als ein Experimentierfeld episch-musikalisch und filmisch-visuell erzählender Darstellungsmöglichkeiten gelten kann. Außerdem wird vorgeführt, inwiefern der Medientransfer ein fundamentales Moment des literarischen Erzählens darstellt: Es geht also weniger um den Medienwechsel von einem Erzählmedium zum anderen als vielmehr um den medialen Wandel der Erzählverfahren eines Mediums.

Die Publikation der Dissertation wird voraussichtlich im April 2013 erfolgen.

 

[Betreute Dissertationen und Habilitationen]

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